Das von der DFG ab September 2024 geförderte Forschungsprojekt untersucht fluviale Ästhetiken als konstitutives Element einer alternativen Geohistorie der Literatur im Río-de-La-Plata-Raum, die sich kritisch mit der Genealogie der argentinischen Nationalliteratur und ihrer kanonischen Gründungserzählung seit dem 19. Jahrhundert auseinandersetzt. Das Projekt schlägt ein alternatives Paradigma zur transnationalen geo-ästhetischen Neubeschreibung des Río-de-La-Plata-Raums vor, das nicht von dem zivilisationsbedürftigen leeren Raum der „Wüste“ als Projektionsfläche für die werdende Nation ausgeht, sondern vielmehr von einer dynamischen, aktiven Territorialität, wie sie in aquatischen, genauer: in fluvialen Räumen zu finden ist.
An die Stelle von zivilisationsstiftenden Gründungsdiskursen mit ausschließlich menschlichen Helden treten in der ästhetischen Modellierung von fluvialen Räumen komplexe (Ent-)Gründungsszenarien, die ökologisch geprägte Modelle zur Beschreibung der Verflechtung von naturräumlichen und kulturtechnischen Prozessen in einer Überlagerung unterschiedlicher Zeitlichkeiten entwerfen, von der Ereignisgeschichte bis zur langen Dauer der Geohistorie. Den theoretischen bzw. kulturgeschichtlichen Rahmen des Projekts bildet dabei die Frage nach der besonderen Bedeutung von lateinamerikanischen Flusslandschaften im gegenwärtigen Kontext des Anthropozän.
Das Gesamtprojekt teilt sich in insgesamt drei eng miteinander verknüpfte Einzelvorhaben auf, die als gemeinsamen Fokus die Auseinandersetzung mit fluvialen Ästhetiken in der Literatur bzw. im Film des Río-de-la-Plata-Raums haben. Das Teilprojekt des Projektverantwortlichen befasst sich dabei vor allem mit narrativen und essayistischen Texten, während die beiden Dissertationsvorhaben sich vorrangig auf Lyrik bzw. Film konzentrieren.
Projektverantwortlicher: Jörg Dünne
Doktorand:innen: Laura Kattwinkel und Francisco Tursi
Laufzeit: September 2024 – August 2027
Projektwebsite (in spanischer Sprache): https://fluvial.hypotheses.org/